Vollständige Umgebung
Idealer Ort für eine solche Erziehungsumgebung wäre natürlich der landwirtschaftliche Hof. Er müsste allerdings tiefgreifend um- und neugestaltet werden, wenn er eine „vollständige Umgebung“ (Goethe, Pädagogische Provinz) für das sich selbst erziehende Kind darstellen und zugleich die auf ihm lebenden und arbeitenden Menschen ernähren soll. Wie bereits dargestellt, bietet das Konzept der Gemeinschaftshöfe (CSA Höfe) dafür ein optimales Lernumfeld. Es ist also nicht gemeint der „Schulbauernhof“, sondern eine Gemeinschaft von arbeitenden Menschen, die nicht vordergründig aus Profitstreben tätig sind, sondern eine nachhaltige und vielfältige Landbau- und Ernährungskultur gestalten wollen. Gemeint ist also nicht die direkte Erziehung des Kindes, von der Novalis abrät, sondern das Hereinnehmen des Kindes in das Tätigkeitsmilieu der Erwachsenen.
Dabei können Kinder wichtige Komponenten des Lebens, wie Wachstum, Veränderung, Vergänglichkeit lernen. „Sie üben Geduld, erleben Kontinuität, verstehen die Elemente und Jahreszeiten. Sie erleben die Natur als ein lebendiges und schützenswertes Gut. Durch die natur- und tiergestützte Pädagogik können viele wichtige Erziehungsziele vermittelt werden, ohne dass sie künstlich gefordert werden müssen. So bietet das vielfältige Angebot des Bauernhofes ein dynamisches Erlebnis-, Erfahrungs- und Lernfeld. Die Kinder lernen Lebens-, Lern- und Arbeitswelten als Einheit wahrzunehmen. Sie lernen diese kennen, nehmen aktiv an ihnen teil und gestalten sie selbst. Je nach Jahreszeit können auch kleine Hände etwas im Gemüsegarten oder auf dem Acker tun: z. B. säen, pflanzen, ernten, Kartoffelkäfer sammeln oder einen Kartoffelroder bestaunen. Bei der Fütterung der artgerecht gehaltenen Kühe, Schweine, Schafe und Hühner wird den Kindern eine aktive Teilhabe ermöglicht.“ (Toma et al im Konzept des Bauernhofkindergarten Willkenshoff)
Dadurch soll die Lust am Lernen, Entdecken und Gestalten gefördert werden, denn, wie Heinrich Roth es einmal darstellte, geht „es nicht darum, dass wir in der Schule die Kulturgüter von der einen Generation in die nächste bringen, sondern dass wir den Geist immer wieder neu entfachen, der die Kulturgüter hervorgebracht hat.“
Heute haben nur wenige Kinder die Gelegenheit, die Arbeitsprozesse der Erwachsenenwelt unmittelbar mitzuerleben. Ein wichtiger Aspekt in der Umgebung des Kindes sind Erwachsene, die selbst sinnvolle, zum Leben gehörende Tätigkeiten ausüben.
Den Kindern soll die Möglichkeit der Nachahmung gegeben werden, um Dinge, die sie auf dem Bauernhof oder auch in ihrem sonstigen Lebensumfeld erleben, auch nachahmen und nachspielen zu können.
Zum Beispiel kann das Füttern, Säen, Ernten oder Pflanzen der Gärtner und Landwirte den Kindern eine Anregung für ihre Spielideen sein. Das Bereitstellen von Rundhölzern, Weiden, Lehm, Steinen und Pflanzen regt die Kreativität und die planerischen Fähigkeiten von Kindern an.
In der Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten und Fertigkeiten wird der Umgang mit Werkzeugen und Materialien geübt. So können die Kinder mit Hilfe der Erwachsenen, aber auch selbständig, ihre Spielräume gestalten und verändern.
Die kreativen Tätigkeiten und Angebote betonen die natürlichen Kreisläufe, in denen sie statt finden. So sollen beim Thema Wollverarbeitung nicht nur traditionelle handwerkliche und künstlerische Fähigkeiten und Fertigkeiten eingeübt und ausprobiert werden, sondern auch der Weg des Materials Wolle – von der Schafschur übers Waschen, Färben bis zum Filzen – soll praktisch nachvollzogen werden.
Die Arbeit mit der Hand soll nicht nur den Umgang mit Werkzeugen und die Verwertung von Rohstoffen, wie z.B. Bienenwachs, beinhalten, sondern auch alle hauswirtschaftlichen Arbeiten, wie z.B. die gemeinsame Weiterverarbeitung der geernteten Früchte mit der Saftpresse (z.B. Äpfel, Johannisbeeren), das Einkochen und Trocknen von Obst. Dazu gehört auch die gemeinsame Zubereitung des Frühstücks und das Kochen.