Herzlich Willkommen bei der AG Handlungspädagogik!
“Erwachsene, Kinder oder Jugendliche kommen auf den Hof und erleben hier Menschen bei ihrer Arbeit. Diese tun diese Arbeit immer auch unter einem pädagogischen Gesichtspunkt; aber es geht dabei nicht um die Erziehung von Menschen sondern die Erziehung der Erde, Pflanze und Tiere. Das alte Wort „Üben“ wurde früher für einen gepflegten und entwickelten Ackerboden gebraucht und für den Kultus in der Religion. Beides wurde „geübt“.
Im Üben wird eine Tätigkeit angesprochen, in der man etwas tut, was man noch nicht kann, was aber als Potential einer Entwicklung in den Möglichkeiten liegt. Man könnte deshalb das methodische Prinzip der Handlungspädagogik auch „Ermöglichungsdidaktik“ nennen.
Wenn also eine Schulklasse, die eher „geübt“ ist, auf Stühlen zu sitzen, auf den Hof kommt, dann „ziehen“ die arbeitenden Menschen die Kinder an und die Kinder treten in deren Handlungsraum ein. Da werden Esel gestriegelt, das Holz gespalten oder ein Kartoffelacker angelegt, Holz mit dem Traktor aus dem Wald gefahren, Zaunpfähle erneuert, Essen gekocht und dazu für das Feuer Kleinholz bereitet. Alle Tätigkeiten sind bewußt handwerklich „aufgestellt“ und so selbsterklärend, da man sieht, worum es geht und wie es geht.
Dann kommt aber immer auch die Erfahrung, daß man es so wie das Vorbild (noch) nicht kann. Und hier scheiden sich die Geister. Ob ich nämlich enttäuscht sofort von jeder Bemühung absehe („Anstrengungsverweigerung“) oder schon ein wenig erfahren und gelernt habe, daß man mit Übung und Anstrengung eine Sache lernen und meistern kann. Diese Begegnungen mit den eigenen Grenzen sind Keimpunkte für Resilienz, also für die Fähigkeit, anstrengenden, gefährlichen oder auch katastrophalen Erfahrungen nicht zu erliegen, sondern sie zu bewältigen. Der bislang einzige übergeordnete Zusammenhang von Menschen mit hoher Resilienz ist, daß sie früher schon anstrengende Erfahrungen gemeistert hatten.
Deshalb ist handwerkliches Lernen und Üben über Tage, Wochen oder gar Jahre ein möglicher Keimort für diese Fähigkeit der Selbstwirksamkeit in der Krisenbewältigung; denn Üben ist ja positive Bewältigung einer selbst geschaffenen Krise – eines extra aufgesuchten Ortes des „Nichtkönnens“. Jeder übende Künstler kennt das ganz innerlich!
Sicher kommt auch irgendwann mal die Frage, ob man das nicht auch mit Maschinen viel besser und schneller machen kann. Auch hier gibt es Gründe, anzunehmen, daß die handwerkliche Verrichtung z.B. beim Sensen einer Wiese und dem Aufreutern des angetrockneten Grases und der weiteren Heubereitung ohne weitere Bewegung eine Futterqualität erzeugen kann, die man mit Maschinen nicht herzustellen vermag. Man kann auch mit einer Sense eine Wiese so „tief“ mähen, daß das Sonnenlicht auf den Boden zwischen den Halmen scheint und dort antibakteriell und pilzreduzierend wirken kann. So kann man das mit einem mechanischen Mähwerk nicht. Das ist die praktische qualitative Seite, durch die man lernt, daß der Maschineneinsatz fast immer einen Kultur- und Qualitätsverlust mit sich bringt.
Es gibt auch eine Erkenntnisseite. Denn man tritt durch das Kennen- und Könnenlernen der handwerklichen Technik in eine tiefere Verbindung mit den physischen Kräften und Sinnzusammenhängen einer Handlung, deren Erkenntnis die Grundlage aller technischen Entwicklungen von maschinellen „Ersatzhandlungen“ sind. Die Kenntnis der handwerklichen Urgesten ist die Voraussetzung für jede Entwicklung, „Verbesserung“ oder Korrektur der Maschine. Das wird für die Zukunft ein Weg sein, die Autonomie des Menschen gegenüber den Maschinen zu verbürgen! Ein Brückenbauingenieur, der eine handwerkliche Erfahrung mit der Betonmischung aufweist, wird einen Komma- und Mengenfehler bei den maschinell berechneten Mischungsverhältnissen oder Zuschlagsstoffen sofort bemerken!
Handlungspädagogik will schon im Kindesalter und nicht erst in der handwerklichen Ausbildung die Vorzüge und Tiefenwirkung des praktischen übenden Zugangs zur Welt erschließen. Schließlich hat jeder so schon ohne Belehrung Gehen und Sprechen gelernt. Die Ausrichtung auf einen biologisch-dynamischen Hofzusammenhang, in dem unschätzbar vielfältige Tätigkeiten sinnvoll zusammenhängend anfallen, erzeugt ein vernetztes Denken und sozial verbindliches Handeln und Wertschätzen. Die Vielfalt ermöglicht auch eine große Wahlfreiheit, den Handlungsort selbst zu finden, an dem ein Kind sich anschließen will. Kernelemente der Handlungspädagogik leben natürlich auch im Üben eines Instrumentes und in jeder Kunst! Das vernetzte Erfassen und Erkennen der Sinnzusammenhänge und der ökologisch-global-kosmischen Wirkungszusammenhänge (z.B. bei Wetter und Klima; welche neuen Bäume pflanzen wir für die Zukunft?) ist nur auf einem Landbaubetrieb in dieser Dimension gegeben.
Theoretischer Hintergrund:
Der handlungspädagogische Ansatz ist nicht retrospektiv oder gar nostalgisch! Pädagogik und jede richtungsweisende Erziehung muß zeitgemäß sein aber auch einen zum äußerlich wirkenden Zeitgeist gegenläufigen Auftrag einlösen. Die Richtkräfte der jeweiligen aktuellen Zivilisation sind dabei der Maßstab aus dem man die pädagogischen Ansätze gewinnt, die diese Zivilisation eben nicht erzeugt.
Nur dann kann Erziehung verhindern, angepaßte Opportunisten oder passgenaue menschliche Objekte der wirtschaftlichen Verwertung zu erzeugen, wie das in den PISA-Rankings der OECD nahegelegt wird.
Das erste pädagogische Werkzeug dazu ist die Erziehung zu einem historischen Bewußtsein als Grundlage der Erfassung von Entwicklung der Kulturen und der Entwicklung des Individuums.
Die zweite Ebene ist die Erziehung zu Autonomie und ihrem Verhältnis zur Sozialität. Man kann das auch seelische Gesundheit oder Resilienz oder Erfahrung der „Selbstwirksamkeit“ nennen.
Die dritte Ebene ist die Erziehung als Ermöglichung von Kreativität und Freiheit der Willenshandlungen, also die pädagogische Begleitung des Weges vom Geschöpf zum Schöpfer als verantwortliche Teilhabe am ökologischen Ganzen.
Der Mensch entwickelt so ein Bewußtsein seiner Teilhabe am Geschichts- und Erbstrom, am Arbeitsstrom und an der Zeitströmung. Für die Ausbildung dieser Fähigkeiten ist der Ansatz der Handlungspädagogik gedacht.
Alle wirklichen Fähigkeiten und deren Verankerung in Leib und Hirn kann man nicht im Sitzen lernen sondern nur im Handeln und Üben. Diese alte Erkenntnis und Methodik jeder Handwerkskunst holt gerade die Hirnforschung wieder ins Bewußtsein, wobei das Handwerk aus tausendjähriger Erfahrung sehr viel genauer weiß, was genau zu tun ist, um eine Fähigkeit „handgreiflich“ zu erwerben. Und da wären wir schon bei den antizyklischen Ansätzen.
Wenn wir also jetzt nach diesen Aufträgen der heutigen Zivilisation fragen, also nach dem, was die heutige Zivilisation am stärksten verfehlt, dann können wir antworten:
Erstens: Gesundheit. Nur ein Beispiel: Wir spritzen Tonnen von Gift in die Luft, auf die Äcker und in unsere Lebensmittel, von denen schon ein kleiner Bruchteil der gesetzliche erlaubten Toleranzmengen unsere in unserem Organismus arbeitenden Mikrorganismen zerstört. Wir beginnen die Schule um 8.00 Uhr, wissend, das das ungesund ist. Ebenso wissen wir um die gesunde Wirkung von sinnvoller Bewegung. Aber wir setzen die Kinder beim Lernen zumeist im Sitzen einem enormen Leistungsdruck und Wettbewerb aus. In den Vereinigten Staaten hat Peter Gray festgestellt, daß kindliche Depressionen und tägliche Unterrichtszeit seit 1950 parallel ansteigen!
Und: Alles (bloße) Wissen um diese Zusammenhänge erzeugt keinerlei Verhaltensänderung!
Zweitens: Was heute durch die zunehmende Anwendung moderner Informationsmedien geschieht ist die Fragmentierung des Weltbildes; sowohl des gegenwärtigen wie auch des historischen. Was offensichtlich fehlt ist die pädagogisch verstärkte Anstrengung zur Ausbildung der Fähigkeit, Zusammenhänge und vernetzte komplexe (z.B. ökologische oder soziale) Wirkungsbeziehungen zu erfassen – zuerst tätig, dann auch denkend. Das ist tätige Begriffsbildung! (Die Bedeutungsweite eines Begriffes ist aber das Evidenzkriterium für „Wahrheit“) Wie soll das in einer Schule gehen, wenn man nicht einmal einen anfänglichen Ansatz hat, wie man das lehren soll. Denn es geht auch hier nicht um Wissen, sondern um Können. Wie kann man Zusammenhänge „erfassen“ mit Händen, mit Taten? Schon die Schulorganisation selber ist mit ihren Stundenplänen, Fächern (!) und den antisozial wirkenden allgegenwärtigen Schülerbewertungen ein Ort der Fragmentierung, Vereinzelung und damit der Störung der Zusammenhangsbildung. Die Ideen von Rudolf Steiner für die Waldorfpädagogik, Lebensthemen (nicht Fächer) in groß angelegten Epochen (vier Wochen von früh bis Mittag) im Leben und nicht nur in der Schule zu erkunden, war so ein Auftrag. Man kann das unter anderem auch verwirklicht in den Jenaplan-Schulen anschauen und bei all den Lehrern, die längst z.B. zum Unterricht der Naturwissenschaften erst einmal tagelang Naturkunde, Naturerkundung, Naturerwanderung im Wald und auf der Heide machen. Das machen sie auch deshalb, weil das den sozialen Zusammenhang fördert und weil ihnen sonst die Decke vom Klassenzimmer hochfliegt, wegen der immer stärker werdenden Unruhe der Kinder.
Also die erste ansatzweise Erkenntnis von einer pädagogischen Methode zum „Zusammenhangslernen“ ist das Aufsuchen, Erschließen und/oder Erschaffen und Pflegen eines Zusammenhanges!!
Das dritte zum äußerlichen „Zeitgeschehen“ gegenläufige Thema der Pädagogik liegt in dem nahezu totalen „Verlust der Hand“ in unseren Bildungseinrichtungen. Also ist künstlerisches und handwerkliches Lernen ein sehr ernstes Thema, denn fast alles wird heute und in nächster Zukunft automatisiert, elektrifiziert und ferngesteuert. Wir haben deshalb den Auftrag, kreatives Handeln und eigenständiges Denken als Gegengewicht zu den algorithmischen Denkersatz- und Steuerprogrammen der Informationstechnologie auszubilden. Der Geist der Freiheit und Autonomie stellt sich neben den Geist der Algorithmen und Automaten.
Auf diese Anforderung einer antizyklischen konträren Antwort auf die heutige und zukünftige Zivilisation ist die Handlungspädagogik ein möglicher Ansatz. Sie erschafft mit einem evolutionären dynamischen Ansatz von Landbau eine „pädagogische Umgebung“, in der nicht primär die Kinder und Jugendlichen erzogen werden sondern die Böden, Pflanzen und Tiere. Je vielfältiger und handwerklicher die Umgebung, je künstlerischer und kreativer die erwachsenen Menschen sind, um so wirkungsvoller ist dieser Ansatz. Jede biologisch-dynamische Landwirtschaft kann solche Räume erschaffen, in denen durch handwerkliche Tätigkeiten eine besondere Qualität im Umgang mit Boden, Pflanze oder Tieren geübt werden können und die Stadt-Land-Beziehung wieder auflebt..
Durch die Zusammenarbeit der Menschen und die offensichtlichen Zusammenhänge der Tätigkeiten im Land- und Gartenbau entstehen die Urbilder vernetzter Räume und Taten. Wenn man auf einem Hofbetrieb aufwächst oder in ihn hineinwächst, kann man Zusammenhänge sehen und denken. Man kann die besondere Qualität der Lebensmittel verstehen und man lernt, seine Hände sinnvoll zu gebrauchen.” (Dr. Manfred Schulze – www.hofhauser.de)
Im Folgenden sind Resonanzfelder, die eine positive Entwicklung der Handlungspädagogik begünstigen.